2.3.4 Dienstleistungen

Dienstleistungen, Privatisierung und Daseinsvorsorge

Dienstleistungsgesellschaft

Zu den Dienstleistungen gehört eine große Vielfalt an Tätigkeiten: Das Feld ist sehr heterogen und entzieht sich daher einer einheitlichen Beurteilung. Es werden vielfältige Angebote unter dieser Kategorie zusammengefasst: Von der Reinigung bis zur Hochschule, von der Unternehmensberatung bis zur Kneipe.

Der größte Teil der Wertschöpfung in modernen Volkswirtschaften wird in den Dienstleistungen erbracht (75-90%). Der „Trend zur Dienstleistungsgesellschaft“ ist in allen EU-Mitgliedsländern weit fortgeschritten.

Dienstleistungen sind von ihrem Charakter her nicht einfach über Distanz, d.h. auch nicht über Grenzen hinweg handelbar: Der grenzüberschreitende Wettbewerb ist alleine daher nicht in gleichem Maße organisierbar wie bei Gütern.

Wettbewerb immer möglich / sinnvoll?

Dienstleistungen können nicht dem freien Wettbewerb überlassen werden, wenn

  • soziale Ziele erreicht werden sollen (Gesundheit, Bildung, öffentlicher Verkehr, „Daseinsvorsorge“),
  • hoheitliche Aufgaben zu erledigen sind (innere und äußere Sicherheit, Justiz),
  • Marktversagen vorliegt (Informationsasymmetrie, d.h. die Kunden sind weniger informiert sind, als die Anbieter und brauche Regelungen zum Verbraucherschutz),
  • Netze ein „natürliches Monopol“ bilden (Bahn, Strom, Wasser, Post).

Die Grenzen für die Liberalisierung werden auch von Interessensgruppen gezogen, die eine Organisation dieser Leistungen über den Staat vorziehen – sei es als Anbieter oder als Kunden. Die Privatisierung wird daher bekämpft. In den deutschen Kommunen besteht eine Tendenz, ehemals an Private vergebene Aufgaben wieder in die öffentlichen Unternehmen zurück zu verlagern, d.h. zu re-kommunalisieren (Monopolkommission (2014a:439-510).

Dienstleistungen werden in geringerem Maße als Waren grenzüberschreitend ausgetauscht. Dies ist auch auf eine hohe Regulierungsdichte in den einzelnen Mitgliedsstaaten sowie auf politischen Widerstand der Lobbygruppen gegen ausländische Konkurrenz zurückzuführen. So ist die grenzüberschreitende Liberalisierung von Dienstleistungen („Bolkestein-Richtlinie“) durch die Einführung des „Herkunftsland-Prinzips“ ist letztlich am politischen Widerstand von Interessensgruppen gescheitert.

Möglichst viel Wettbewerb in den Dienstleistungssektor bei grenzüberschreitenden Angeboten einzuführen ist das Ziel des Binnenmarktes.

… kurz zusammengefasst

Bei den Dienstleistungen, die einer staatlichen Regulierung unterliegen, dominieren noch nationale Gesetze. Bei Dienstleistungen, die hohe fachliche Kompetenz voraussetzen, bilden Kultur, Sprache und landesspezifische Regeln eine Barriere für den ausländischen Anbieter.

Netzbasierte Dienste (Elektrizität, Bahn, Wasser, etc.) sind häufig noch in staatlicher Hand und die Bürger fühlen sich unwohl, wenn „die Märkte“ nach einer Privatisierung diese Dienste übernehmen sollen.

Die nationalen Regulierungen dürfen nicht von ausländischen Anbietern unterlaufen werden, so dass diese auch einen eventuellen Wettbewerbsvorteil nicht ausspielen können.

Bei nicht über den Markt erbrachten Diensten hat der Binnenmarkt keine Regelungskompetenz, so dass große Wirtschaftsbereiche ausgeklammert bleiben. Dazu zählen z.B. staatliche Bildungseinrichtungen und öffentliche Gesundheitseinrichtungen.

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