5. Kandidatur der Türkei

Überblick

Die Türkei ist ein besonderes Kandidatenland; sie hat die längste Antragsphase und bereits einzigartig enge Marktbindungen an die EU. Ihre politische Geschichte birgt einerseits großes Konfliktpotenzial und andererseits kann sie gerade für die EU eine fruchtbare Brückenfunktion übernehmen. Im Beitrittsprozess ist sie zwar vorangekommen, aber noch weit von der Beitrittsreife entfernt. Die wirtschaftlichen Effekte eines Beitritts hängen daher von der künftigen Entwicklung der Türkei und der EU ab. Wie sich der Handel und die Direktinvestitionen entwickeln könnten, ist nicht so umstritten, wie die Frage der Freizügigkeit, die in der EU eher emotional als analysierend betrachtet wird. Der Ausgang eines erfolgreichen Bewerbungsverfahrens ist offen, da der Widerstand in Teilen der EU hoch ist. Außerdem entwickelt sich die Türkei seit einigen Jahren – verstärkt nach dem gescheiterten Militärputsch – immer mehr zu einem autokratischen Staat, der die Mindestanforderungen der EU nach den „Kopenhagen-Kriterien“ nicht mehr ausreichend erfüllt.

… kurz zusammengefasst ∑

Die Türkei hat eine lange Geschichte der Annäherung an die EU hinter sich, in der immer wieder politische und wirtschaftliche Zusammenbrüche (Militärdiktatur, Finanzkrisen) den Prozess stocken ließen.

Im Jahr 1995 sind EU und Türkei eine Zollunion eingegangen: Ein einmaliger Schritt mit einem Kandidatenland. Handel und Direktinvestitionen haben sich seitdem stark entwickelt, wobei die Türkei sich als Produktionsbasis auch für anspruchsvollere Fertigungen entwickelte. Die EU ist der bedeutendste Absatzmarkt für die Türkei.

Alte und neue politische Konflikte zwischen der Türkei und ihren Nachbarn – auch in der EU (Zypern, Griechenland) – spitzen sich immer wieder zu. Gleichzeitig könnte die Türkei außenpolitisch an den „brisanten“ Grenzen der EU (Naher Osten) eine positive Rolle spielen. Auch als Transitland für Öl und Gas ist die Türkei für die EU wichtig.

Die Flüchtlingskrise ebenso wie die militärische Situation an der türkisch-irakisch-syrischen Grenze spitzen sich zu und geben der Türkei jenseits aller Regeln und Anforderungen des EU-Beitrittsprozesses eine wichtige Rolle.

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