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Demokratie in Polen gefährdet?

In Polen wurde eine konservative Partei bei der Wahl im Jahr 2015 mit absoluter Mehrheit ausgestattet. Die neue Regierung wurde beschuldigt, die Grundlagen demokratischer Ordnungen zu verletzen, indem sie z.B. das Verfassungsgericht und die öffentlichen Medien unter die Kontrolle der Regierung brachte. Damit scheint die Demokratie in Polen gefährdet.

Die EU ist nicht mehr nur eine Wirtschafts- sondern auch eine Wertegemeinschaft. Die Mitglieder müssen daher Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung und Respektierung der Grundrecht garantieren. Was aber kann die EU tun, wenn eines ihrer Mitglieder diese Grundregeln zu verletzen droht oder vermeintlich oder tatsächlich verletzt? Bei Verletzung der Regeln des Binnenmarktes gibt es Regeln, Verfahren und Institutionen – bei den Grundwerten wurden einige Schutzmechanismen erst im Vertrag von Lissabon (ab 2009) sowie in einer Verordnung der EU-Kommission eingeführt.

Quellen

  • Wahrung und Förderung der Grundwerte der Union (link) beschreibt die Grundlagen im Primärrecht, d.h. in den EU-Verträgen, bes. Art. 2 und 7 EUV
  • Ein neuer EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips (link) beschreibt die Möglichkeiten der Kommission zur Bekämpfung von Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit durch einen Mitgliedsstaat.
  • Rechtsstaat in Polen bedroht: EU-Kommission löst Artikel 7-Verfahren aus (link) – mit weiteren Quellen

Diese Maßnahmen sind jedoch wenig konkret und haben kaum „Biß“, zumal die „Bestrafung“ eines Mitgliedsstaates, der die Grundwerte verletzt, nur mit Zustimmung ALLER anderen Mitgliedsstaaten erfolgen kann. Dafür ist jedoch der erforderliche politische Wille bei einigen der anderen Mitgliedsstaaten nicht vorhanden. So haben Ungarn und später auch die baltischen Staaten verlauten lassen, dass sie sich einer Sanktionierung Polens widersetzen werden.

Bisheriger Verlauf

  • Im Januar 2016 hat die Kommission beschlossen, das Verfahren gegen Polen zu beginnen (Polens Rechtsstaat MEMO-16-62_EN).
  • Im Juli 2016 forderte die Kommission Polen auf, die Kritik zu berücksichtigen (IP/16/2643); das Europäische Parlament hat dies zuvor auch getan.
  • Die Regierung Polens teilt die Kritik nicht und verbietet sich Einmischung in inner-polnische Angelegenheiten. Der Chef der Regierungspartei und ehemaliger Staatspräsident, Jaroslaw Kaczynski , äußert sich sogar „belustigt“ über das Verfahren (Polens Ex-Premier Kritik aus Brüssel ´belustigt mich´“, Welt-N24, 28.07.2016)).
  • Der Vize-Präsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, schreibt einen offenen Brief an die polnische Regierung, in dem er die massiven Verstöße gegen die Unabhängigkeit der Justiz rügt (POLITICO, 9.12.16)
  • Die EU-Kommission droht erneut mit Konsequenzen (21.12.2016, IP/16/4476) – allerdings hat sie kaum Mittel zur Verfügung (s.o.)
  • Die Kommission diskutiert die Schaffung von Sanktionsmöglichkeiten, die nicht an der Einstimmigkeit scheitern dürfen. Dies hält sie auch im Hinblick auf andere Mitgliedsstaaten für erforderlich – Polen ist nicht das einzige Land, das den Rechtsrahmen der EU zu verletzen droht.
  • Im Dezember 2017 beantragte die EU-Kommission die Einleitung eines Verfahrens gegen Polen (link)
  • Im September 2018 verklagte die EU-Kommission Polen wegen der Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit vor dem EuGH. Dies Verfahren läuft nicht im Rahmen der sog. Artikel-7 Verfahren. Einen kurzen Überblick sowie weitere Quellen finden Sie hier (Auch: Handelsblatt 24.9.18).

Grenzenlose Kredite

Grenzüberschreitende Kreditbeziehungen: Zweischneidig

Der grundlegende Gedanke des Binnenmarktes ist der grenzenlose Wettbewerb. Auf dem Finanzmarkt schließt dies auch ein, dass ausländische Banken Kredite im Inland vergeben können und dass Kredite in der einheimischen oder in der fremden Währung denominiert werden können. Damit eröffnen sich neue Chancen – aber auch erhebliche Risiken:

  • Die privaten Kreditnehmer (Haushalte, Unternehmen) können möglicherweise deutlich billigere Kredite in fremder Währung bekommen. Sobald sich aber der Wechselkurs ihrer einheimischen Währung verschlechtert, müssen sie einen wachsenden Anteil ihres Einkommens aufbringen, um diese Kredite zu bedienen; dies kann ihre Zahlungsfähigkeit überfordern.
  • Banken können sich neue Märkte erschließen. Wenn sie jedoch viele Kredite in einem Land vergeben haben, dessen Kunden wegen einer Abwertung ihre Verpflichtungen nicht erfüllen können, so muss die Bank hohe Abschreibungen vornehmen – dies kann sie in existenzielle Schwierigkeiten bringen.

Das Ausmaß der Auslandsverschuldung wird in der Grafik (ECB (2014). Financial stability review May 2014. Frankfurt (M), S. 121) deutlich.

financialstabilityreview201405en_p121

 

Beispiele für das Problem mit Auslandsschulden sind u.a.

  • Ost-europäische Kreditnehmer, die billige Kredite in der Schweiz aufgenommen hatten. Als der Schweizer Franken aufwertete, wurden viele Kredite notleidend. (Hüttl, P. Foreign loan hangovers, Breugel Blog, 14.10.2015)
  • Deutliche Abwertungen der polnischen, ungarischen und tschechischen Währungen gegenüber dem Euro. Die ungarische Regierung hat sogar ein Gesetz zur Umwandlung von Euro-Krediten in Forint-Kredite durchgebracht, mit dem die ausländischen – größtenteils österreichischen – Banken den Schaden aufgebürdet bekamen. („Ungarn bittet ausländische Banken zur Kasse – Orbán-Regierung will mit neuem Gesetz die Umwandlung von Fremdwährungskrediten durchsetzen, (29.9.2014). Handelsblatt).