Was darf „Brüssel“ regeln – was bleibt beim Mitgliedsland?

Die Grenze zwischen den Zuständigkeiten der EU und denen der Mitgliedsstaaten ist fließend und umstritten. Gegen den „Bürokraten-Moloch“ besteht der Generalverdacht des Machthungers: Immer mehr Zuständigkeiten will er – so die populistische Sicht – an sich ziehen. Aber auch die Wissenschaft bescheinigt jeder Organisation ein „natürliches“ Interesse an Bedeutungszuwachs.

In der EU ist mit der Formel der Subsidiarität die Grenze zwischen den Zuständigkeitsbereichen gezogen. Mit dem Lissaboner Vertrag (2009) gibt das europäische Primärrecht den nationalen parlamenten die Möglichkeit einen Verletzung der Subsidiarität zu rügen.

Die Briten wollen die EU eher „schlank“, während z.B. Franzosen nach einer „ever closer Union“ – unter französischer Dominanz 😉 streben. Die Rede des britischen Premierministers David Cameron in Davos (2013) ruft zu einer Überarbeitung der Zuständigkeiten auf. Eher überraschend ist der Vorstoß der niederländischen Regierung (2013), die in einer Liste diejenigen Bereiche aufführt, bei denen die bereits an die EU verteilten Zuständigkeiten erneut überprüft werden sollen („European where necessary, national where possible, News item, Government.nl, 21-06-2013″; auch: „EUobserver.com: Netherlands attacks ‚creeping‘ EU powers„).

Material zu Subsidiarität

  • Zur Reform der EU mit stärkerer Berücksichtigung der Subsidiarität siehe: Blockmans, S., J. Hoevenaars, A. Schout and J. M. Wiersma (2014), From Subsidiarity to Better EU Governance: A Practical Reform Agenda for the EU, CEPS essay (10)
  • Die nationalen Parlamente haben mit dem Vertrag von Lissabon die Möglichkeit erhalten, stärker in der frühen Phase der europäischen Gesetzgebung einzugreifen, indem sie mit der „Yellow Card“ eine „Subsidiaritäts-Rüge“ erheben. Die Parlamente der Mitgliedstaaten machen von dieser Möglichkeit wenig Gebrauch, da sie sich untereinander kaum abstimmen und so nicht die erforderliche Stimmenzahl zusammen bekommen; dies ist auch auf die unterschiedlichen Landesinteressen zurückzuführen (Handelsblatt 17.5.14, „Brüssel wird zu selten verwarnt, Die nationalen Parlamente könnten gegen den europäischen Regulierungswahn viel öfter aktiv werden.“) Die „Yellow card“ ist wenig effektiv, wie eine Studie im Jahr 2014 zeigte (‚Yellow cards‘ from national EU parliaments not very effective, 03.12.14 @ 18:59, http://euobserver.com/institutional/126781)
  • Im Jahr 2017 hat der Präsident der Europäischen Kommission eine Task Force eingesetzt, die eine bessere Berücksichtigung der Subsidiarität unterstützen soll (link)