Soziale Spannungen durch die Entsendung von Arbeitnehmern

Die Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern bieten Möglichkeiten, die nationalen sozialen Schutzvorschriften zu unterlaufen. Zahlreiche Fälle finden sind dazu dokumentiert (European Commission (2012v): Revision of the legislative framework on the posting of workers in the context of provision of services – impact assessment, in: Commission staff working document, SWD(2012) 63 final, 21.3.2012).

Ein markantes Beispiel: In deutschen Schlachthöfen sollen nur 3.-€/Std. an Arbeitnehmer aus Ost-Europa  bezahlt werden, so dass französische und belgische Betriebe ihre Arbeiten nach Deutschland verlagern (müssen) (Quellen: BBC News, 9. April 2013, Last updated at 14:54 GMT, „Belgium protests over German low pay in EU complaint“; „Schlachtbetriebe: Dumpingstandort Deutschland“, Tagesspiegel, 21.03.2013 10:22 Uhr (Link). Erst mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland kann dies unterbunden werden. Allerdings ist eine Umgehung durch Schein-Selbständigkeit schwer zu unterbinden.

Auch der Einsatz von LKW-Fahrern aus Ost-Europa in den „reichen“ Ländern der EU führt zu erheblichen sozialen Härten durch schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Entlohnung. Dem hat der EuGH im Juli 2020 deutlich Grenzen gesetzt (Urteil C‑610-18) (link).

Einen Überblick zur Entsendung von Arbeitnehmern – auch außerhalb der EU – findet sich in OECD, 2011b, International migration outlook: SOPEMI 2011, Paris, S. 54-61.

Diese Klagen sind Ausdruck der Tatsache, dass in der EU zwar Wettbewerb auf einem integrierten Markt für Güter existiert, auf dem Arbeitsmarkt dagegen die vereinbarte Freizügigkeit sich nicht entfalten kann, da ein Lohn-Wettbewerb nicht zulässig ist: Nationale Tariflöhne, Mindestlöhne und Schutzvorschriften sowie der Widerstand nationaler Interessenvertreter der Arbeitnehmer verhindern, dass die (potenziellen) Arbeitsmigranten aus Niedriglohn-Mitgliedsländern ihren Wettbewerbsvorteil – die Bereitschaft für weniger Lohn zu arbeiten –  ausspielen können. Allerdings kann die Arbeitskraft nicht ohne erhebliche soziale Härten und möglicherweise soziale Unruhen einem ungeschützten Wettbewerb ausgesetzt werden.