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Zyperns Sparer – nicht die ersten und nicht die einzigen Sparer, die verlieren

Die Angst der Sparer vor dem Verlust der Einlagen kann blitzschnell jede Bank zu Fall bringen: Durch einen Bank Run. Jeder Sparer will bei schlechten Nachrichten seine Einlage sofort abziehen – das Geschäftsmodell einer Bank lässt dafür keine Vorsorge zu. Die Einlagensicherung – bis zu 100.000€ – soll die Sparer beruhigen und den Bank Run verhindern.

Die zypriotischen Banken haben uns wieder eine einfache Tatsache vor Augen geführt: Banken arbeiten nicht nur mit Eigenkapital sondern auch mit Krediten „kleiner“ und „großer“ Anleger, die sie weiterverleihen. Jede Bank kann in die Lage kommen, dass das verliehene Kapital nicht zurückkommt. Wer trägt dann den Verlust? Dafür gibt es im Prinzip eine Kaskade:

  1. Die Eigentümer der Bank (Aktionäre) verlieren ihr Kapital – dieses Polster sollte groß genug sein, um die erwartbaren Kreditausfälle abzudecken.
  2. Wenn das Eigenkapital nicht reicht, müssen die nicht geschützten Kreditgeber zu „Mit-Unternehmern“ der Bank werden: Ihre Einlage wird in haftendes Eigenkapital umgewandelt – und sofort verbraucht oder dem künftigen Geschäftsverlauf der Bank überlassen („Bail In“). In der Regel sind hier die institutionellen Anleger, die Bankanleihen gekauft haben, betroffen.
  3. Sollten Aktionäre und Großanleger nicht genug Volumen zur Deckung der Ausfälle aufbringen, so trifft es auch die „kleinen“ Sparer – sie sollen durch den Einlagensicherungsfond entschädigt werden.
  4. Wenn dieser Fond nicht ausreicht, wird der Steuerzahler heute oder morgen (Staatsschulden) herangezogen („Fiscal Backstop“). Aber auch der Steuerzahler kann überfordert wrden, so dass am Ende der Staatsbankrott steht.

Die Situation der zypriotischen Banken war insofern besonders, als es dort nur wenige Anleger mit Bankanleihen gab – die anderen Sparer wurden also herangezogen. Vernünftigerweise wurden in der zweiten Version der „Rettung“ die rechtlich gesicherten Einlagen unter 100.000€ verschont.

Einschub „Welchen Sinn macht die Schutzgrenze von 100.000€?

Wer mehr als den magischen Betrag in bar auf dem Konto hat, ist nicht zwingend ein Krösus, der aufgefordert werden darf, sich an der Rettung der Bank zu beteiligen. Auch kleine und mittlere Unternehmen erreichen diese Grenze schnell, um die Zahlungen aus dem normalen Geschäftsverkehr sicherzustellen (Löhne, Lieferanten, …). Bezieht man diese Barmittel in das „bail in“ ein, so werden auch gesunde Unternehmen der Realwirtschaft geschädigt. Ebenso können z.B. Versicherungen oder Pensionsfonds im Rahmen ihrer Zahlungsverpflichtungen erhebliche Barmittel benötigen – auch diese sind nicht Teil eines spekulativen Finanzgeschäfts, sondern Gelder der Sparer und Versicherten.

Auf diesen Zusammenhang weist DeGrauwe (2013) hin, der außerdem betont, dass untergehende Banken auch andere, gesunde Banken mit in die Insolvenz reißen und so den Schaden für die Realwirtschaft vergrößern können (DeGrauwe, P. (2013), The new bail-in doctrine: A recipe for banking crises and depression in the eurozone, CEPS Commentaries).

Weniger Glück hatten die kleinen Sparer in Spanien: Sie wurden in dem Glauben gelassen, dass Vorzugsaktien der Sparkassen (Cajas) sicher seien: Jetzt müssen sie einen „Hair Cut“ von über 60% hinnehmen (Spanish banks-Up in smoke. The bill comes in for investors in bankrupt cajas, Economist Mar 30th 2013). Darunter sind viele kleine Anleger, die offenbar falsch beraten wurden – ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Auch diejenigen, die Vorzugsaktien beim Börsengang von Bankia (2011) gekauft hatten, mussten akzeptieren, dass diese mit Wertverlusten in die Haftung genommen wurden (Economist, Jan 25th 2014 „Bankia: From a low base“).

Auch wenn der neue Chef der Euro-Gruppe die Wahrheit unter dem Druck der politischen Klassen wieder zurückgenommen hat: Das Bail In der Sparer wird die Regel bei der Sanierung von Banken werden müssen, da weder der Einlagensicherungsfond noch die Steuerzahler die volle Last schultern können („Banken sollen sich selbst retten“ Euro-Gruppen-Chef sorgt mit Interview für Eklat, Handelsblatt.com 25.03.2013, 19:50 Uhr, Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem hat die Märkte mit einem Interview in Unruhe versetzt. Zypern sei ein Modell für den Umgang mit Krisenbanken, ließ er verlauten. Wenig später ruderten die Euro-Länder zurück.).

Die Haftung der Bankgläubiger wird auch in einem Papier der Europäischen Kommission (Brüssel, den 30.11.2012, COM(2012) 777 final/2, S. 22) klar ausgesprochen:

„In den Fällen, in denen der einheitliche Abwicklungsmechanismus in Anspruch genommen werden muss, sollten – im Einklang mit dem Kommissionsvorschlag über Bankensanierung und -abwicklung – Aktionäre und Gläubiger die für die Abwicklung anfallenden Kosten übernehmen, bevor externe Mittel dafür bereitgestellt werden.“

Auch der deutsche Finanzminister Schäuble soll das Vorgehen in Zypern als Modell bezeichnet haben (Handelsblatt First 20.4.13)

„BANKENRETTUNG: Schäuble sieht in Zypern doch eine Blaupause

Wolfgang Schäuble will entgegen vorheriger Aussagen sehr wohl Vermögende an Bankenrettungen beteiligen – damit nimmt er Eurogruppen-Chef Dijsselbloem in Schutz. Die Allgemeinheit könne nicht alle Verluste tragen.

Von dpa, Reuters

Berlin. Eurogruppen-Chef Jeroeme Dijsselbloem musste am Ende zurückrudern. Ein dummer Fehler war ihm im Interview unterlaufen. Die Rettung in Zypern hatte er als „Blaupause“ für weitere Krisen bezeichnet – und heftige Kritik einstecken müssen. Sollen Vermögende an der Rettung von Banken beteiligt werden? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nimmt Dijsselbloem nun, wenige Wochen nach der Zypern-Rettung, in Schutz: „Herr Dijsselbloem ist in der Substanz zu Unrecht gescholten worden. Und auch nicht von mir“, unterstrich Schäuble.
Während der Finanzminister bis zuletzt in Interviews die Rettung des Mittelmeerstaats als „speziellen Einzelfall“ bezeichnet hatte, erklärt er nun: „Die Beteiligung von Eigentümern, nachrangigen Anleihegläubigern und dann ungesicherten Anlegern muss der Normalfall sein, wenn ein Finanzinstitut in eine Schieflage gerät.“ In einem Gespräch mit der „WirtschaftsWoche“ bekräftigte er, dass auch in Zukunft vermögende Kunden ihren Beitrag leisten müssen.
„Ansonsten bekommen wir das Moral-Hazard-Problem nicht in den Griff, dass Banken mit riskanten Geschäften fette Gewinne machen, aber im Fall eines Scheiterns dann die Verluste der Allgemeinheit aufbürden“, ergänzte Schäuble. „Das darf nicht sein.“

Auch der ECON-Ausschuss des Europäischen Parlaments hat im Mai 2013 ein „bail-in“ in der Reihenfolge 1. Aktionäre  2. Große Gläubiger 3. als Auffangposition der Steuerzahler gefordert:

„Taxpayers and savers must be the last people called upon to bail out banks, says Parliament’s negotiating position, approved by the Economic and Monetary Affairs Committee on Monday, on draft rules on saving struggling banks. The text rules out using deposits below €100,000 and says that even deposits above €100,000 should be the last to be called in. The committee voted against using deposit guarantee funds for resolution actions and also set out strict conditions for using taxpayer’s money.“ (Taxpayers and savers last in line to save banks, ECON Economic and monetary affairs − 21-05-2013 – 13:02).

Es bleibt abzuwarten, welches Ergebnis in den Verhandlungen zwischen Parlament und Rat – auch unter dem Einfluss der mächtigen Lobby der Finanzindustrie – letztlich zustande kommt.

Auch die Bank for International Settlement (BIS) legte einen Vorschalg vor, mit dem die Aktionäre stärker in die Haftung genommen werden sollen, wenn die Bank in Schwierigkeiten gerät und aufgelöst werden muss (Melaschenko, P., Reynolds, N. (2013): A template for recapitalising too-big-to-fail banks, in: BIS Quarterly Review, June, 25-39).